Die Zwerge im Wohlenberge

Vor vielen, vielen Jahren zog ein lustiges Volk von Zwergen in den Wohlenberg bei Leiferde. Dieser Berg war damals kahl, nur genügsames Heidekraut wuchs dort. Die fleißigen Zwerge verwandelten die dürre Stätte bald in ein fruchtbares Land. In unterirdischen Stollen leiteten sie Okerwasser dorthin und erwärmten durch ihr Feuer im Schoß des Berges den Boden. Bald sproß alles in üppiger Fülle.

Ein Jäger verirrte sich einst in diese Gegend, erkletterte den Berg, um von der Spitze desselben den Weg zu erspähen. Da erstaunte er nicht wenig über das Paradies mitten in der dürren Heide. Er erzählte nach seiner Heimkehr von seiner Entdeckung, und viele Hirten und Bauern zogen dorthin, um sich anzusiedeln, ihre Mühe wurde reichlich belohnt. Saaten in nie gesehener Fülle erfreuten bald die Herzen der Ansiedler. Eine herrliche Zeit begann. Die guten Zwerge waren den Menschen gar wohl gesinnt. Sie taten ihnen Gutes, soviel sie nur konnten. Erhoben sich die Leute des Morgens von ihrer Lagerstätte, so stand das Frühstück schon für sie bereit. War es Mittagszeit, so sorgten sie für eine kräftige Suppe. Schwand der Tag, so fanden sie von den Zwergen ein wohlschmeckendes Abendbrot bereitet. Dazu nahmen die hilfreichen, kleinen Leute den Menschen fast alle Arbeiten ab. War der Grasbaum der Sense oder der Stiel der Hacke gebrochen, so fand der Bauer das Arbeitsgerät am andern Morgen ausgebessert vor. Hatte der Landmann die Sense am Abend schartig und stumpf an die Wand gehängt, so war sie am frühen Morgen schon wieder scharf wie ein Rasiermesser. Ja, manchmal hatten die fleißigen Männlein das Korn, wenn es die Leute einholen wollten, schon unter Dach und Fach gebracht, so daß die Menschen oft keine Arbeit mehr zu tun fanden.

Die guten Zwerge verlangten für alles nur Ruhe, weil sie keinen Lärm leiden konnten. Allein die Menschen lohnten ihre Guttaten mit Undank. Das sorglose Leben machte sie übermütig und stolz. So wurden sie unfreundlich gegen ihre Wohltäter. Als sie gar eine Glocke in Leiferde aufhängten, mit dieser immerzu bimmelten, sie auch auf inständiges Bitten der Zwerge hin nicht entfernen wollten, hatte plötzlich das gute Leben ein Ende. Die Zwerge verstopften die Brunnen, zertraten das Korn und verübten manchen Schabernack. Die erbosten Menschen, die doch alles selbst verschuldet hatten, ärgerten die Wichtelmänner noch immer mehr. Vergnügten sie sich in mondheller Nacht auf blumiger Wiese an ihren zierlichen Tänzen, dann sprangen junge Burschen plötzlich aus einem Versteck hervor, klatschten mit Peitschen, schlugen breite Bretter zusammen und machten einen solchen Lärm, daß die kleinen Wichte vor Angst weder ein noch aus wußten.

Aber der Friede kehrte doch wieder auf dem Wohlenberge ein. Ein reicher Bauer kaufte das ganze Land auf und stellte den Frieden wieder her. Nun halfen die Zwerge wie ehemals. Leider hatte der Bauer einen ungeratenen Sohn. Seine bösen Streiche erzählte man sich in der ganzen Gegend. Sie waren der tägliche Kummer des Vaters und brachten ihn früh ins Grab. Bald bekam der Sohn mit den Zwergen Streit. Er schalt über das Essen, weil es ihm nicht gut genug war. Als sie ihm schließlich nichts mehr zutrugen, war es ihm auch wieder nicht recht; er polterte, schimpfte und lärmte dermaßen, daß die Zwerge im Berge angst und bange wurden.

Jetzt beschlossen die Zwerge auszuwandern. Sie verstopften vor ihrem Auszuge die Quellen, verwüsteten die Felder und fügten dem groben Menschen schweren Schaden zu. In einer Gewitternacht verließen sie unter grellen Blitzen und rollendem Donner die ungastlich gewordene Stätte, setzten bei Volkse in einem Kahn über die Oker und niemand weiß, wohin sie gezogen sind. Nur den „Twargborn“, den die Wichtelmänner einstmals am Wohlenberge gegraben haben sollen, den zeigt man noch.