Der Spuk an
der Schwarzwasserbrücke
Ein braver Heidjer-Bauer aus dem
Nordkreise macht sich an einem dunklen Novembermorgen mit seinem Wagen auf den
Weg nach Peine. Heute ist Martinitag, da will er auf dem Martinimarkte tüchtig
einkaufen.
Als er Edemissen hinter sich hat und um den Fuhrenkamp kommt, der dicht an die
Straße stößt, sieht er über die Wiesen hinweg auf dem Schwarzwasser einen
langen Nebelstreifen schweben, der wie ein Ring- wall die Niederung begrenzt.
Von daher, wo die Brücke liegt, fällt ihm plötzlich ein matter, unruhig
flackernder Lichtschein ins Auge. Der Fuhrmann vergißt, seine Pferde
anzutreiben; denn alle seine Sinne sind nach jener Stelle gerichtet, wo sich der
Feuerschein mit den Nebelschwaden zu gespenstischen Schatten vereinigt. Wie soll
er nur über die Brücke kommen, ohne Schaden zu nehmen, wenn es dort nicht
geheuer ist! Erzählt man sich nicht in den Dörfern so viele Spukgeschichten
gerade von diesem Orte?
Aus diesen Gedanken wird er durch Pferdegetrappel aufgerüttelt, das hinter ihm
hörbar wird. Nach einer Weile sieht er einen Reiter, der drei Pferde mit sich
führt, herankommen. Es ist ein Bauer, der auf dem Martini markte Fohlen
verkaufen möchte. Auch ihn beunruhigt der Spuk an der Brücke. Beide rätseln
hin und her. Sie verschweigen sich nicht, daß ihnen oder ihren Pferden etwas
angetan werden kann, wenn sie mir nichts dir nichts über die Brücke
galoppieren. Was aber sollen sie beginnen? Sie werden sich schließlich einig,
vorsichtig an die Brücke zu schleichen und die Gefahr zu untersuchen. Die
Pferde werden fest an den Wagen gebunden, dann nimmt jeder seine Peitsche fest
in die Hand. Nun schleichen beide geduckt und ein wenig aufgeregt, einer im
linken, der andere im rechten Straßengraben, der gefährlichen Stelle zu. Beim
Näherkommen erblicken sie im Lichtschein die Umrisse einer Menschengestalt, die
an einem kleinen Feuer unter dem Brückenbogen hantiert. „Wat makest Du denn
hier?“ fragt einer der beiden, der sich schnell von seinem Schrecken erholt
hat. „Ick bin uppen Wege na en Panschen Marke mit ner Dracht Eiere, Speck un
Schinken un en paar Dutzend Bessen! Underweggessen is mick de Kiepe entwei egahn,
nun bätere ick se ut!“
„Na, denne isset man güt, denne packe diene Kiepe man up mienen Wagen un
feuere man midde! Wie harren üsch beistig verfährt; nü is et man güt, dat et
niks Stimmeres is!“
Das ließ sich der gute Mann nicht zweimal sagen. Vorsichtig wurde die Kiepe mit
dem zerbrechlichen Inhalt verstaut. Der eine Bauer band seine Tiere los, stieg
auf sein Handpferd und ritt nach kurzem Gruße davon. Die beiden anderen fuhren
langsam in ihrem Planwagen hinterdrein.
Das Getrappel der Pferdehufe dröhnte über die Gespensterbrücke. Der Spuk
hatte ein Ende gefunden!
Wie oft hätte mancher Spuk ein ebenso natürliches Ende gefunden, wenn beherzte
Männer ihm wie hier auf den Grund gegangen wären, denn alles geht natürlich
zu.
|