Der Schmuggler und die Tückeboten

Als die Grenze zwischen dem Braunschweiger Lande und dem Stifte Hildesheim noch so streng gesperrt war, als ginge es von der einen Seite nach der anderen ins Ausland, da richteten die Grenzer auf beiden Seiten ihre wachsamen Augen auf jeden Weg, der über die Grenze führte. Damals wollte ein Schmuggler Salz über diese Scheidelinie bringen, um damit ein schönes Stück Geld zu verdienen. Einen prall gefüllten Salzsack auf dem Buckel, so strebte er auf schmalem, verbotenem Pfade durch die Barbeck‘sche Halbe auf Lengede zu Da merkte er, daß die Zolljäger hinter ihm her waren. Der Schmuggler eilte, sich und seine Last über die Grenze zu retten.

Inzwischen sank die Dämmerung hernieder und hüllte Weg und Steg in einförmiges Grau. Man konnte bald nur einen Steinwurf weit sehen; und der Schmuggler glaubte schon, sich in Sicherheit vor den Blicken seiner Häscher zu befinden. Da schwebten plötzlich von links und rechts die Tückeboten heran. Er erschrak heftig; denn er hielt sie für die Lichter der Grenzjäger. Schneller wurde sein Schritt, sein Atem ging hastiger, und sein Puls schlug rasend. Auch trat ihm der Angstschweiß auf die Stirne; denn die Lüchtenkeerls kamen immer dichter heran. In seiner Aufregung glaubte er, daß es weiter keinen Ausweg mehr gäbe, als sich im dichtesten Gebüsch und Schilf zu verstecken.

Kaum hatte er den sicheren Pfad verlassen, so geriet er in den heimtückischen Sumpf. Seine Füße versanken im weichen Morast, und der zähe Moderschlamm schloß sich fest um seine Stiefel. Mit übermenschlicher Kraft riß er sich wieder los. Gleich danach stapfte er aber in ein noch schlimmeres Sumpfloch, das ihn nicht wieder losließ. Langsam, aber sicher sog der Boden die Stiefel und die Unterschenkel ein. In dumpfer Angst versuchte der Unglückliche immer wieder, sich zu befreien. Je mehr er sich mühte, desto sicherer zog ihn der Sumpf in seinen furchtbaren Rachen. Der schwere Salzsack, zu spät weggeworfen, wurde ihm zum Verderben. In seiner Todesangst schrie er um Hilfe. Mochten die Grenzer doch kommen und ihn erhaschen! Sie aber kamen nicht! Das Schicksal nahm unerbittlich seinen Lauf!

Bald waren die Schreie des Todgeweihten verbaut. Der Sumpf hatte sich über ihm geschlossen. Gleichzeitig waren auch die Tückeboten verschwunden. Wieder hatten sie einem Menschen auf dem Wege ins Unglück geleuchtet, und die Geldgier hatte ihnen dabei geholfen!