Der Schatz im
Kesselloch
An der Grenze der Handorfer
Feldmark liegt auf der Stühheide das Kesselloch. Dort soll vor langen Zeiten
ein reicher Schatz vergraben worden sein. Er ruht in einer mit edlem Metall
beschlagenen Kiste. Nur unter ganz besonderen Umständen kann er gehoben werden.
Es muß in einer Vollmondnacht geschehen, und bei den Grabarbeiten darf kein
Wort gesprochen werden.
Vor vielen Jahren versuchte es
ein Bauer aus Groß Bülten, den Schatz in der sogenannten „langen Nacht“ zu
heben. Er nahm einen treuen Knecht zur Hilfe mit. Ohne ein Wort zu sagen, gruben
beide emsig darauf los. Die Arbeit ging flott voran, und kurz vor Mitternacht
stießen ihre Spaten auf die Schatzkiste. Sorgfältig kratzten sie die Erde zur
Seite und legten die Kiste frei. Die goldenen Beschläge blitzten im
Mondeslichte. Große Freude erfüllte ihre Herzen, standen sie doch kurz vor dem
erhofften Erfolge!
Inzwischen rückten die Zeiger
der Kirchuhren in den Nachbardörfern auf Mitternacht. Kurz nacheinander lösten
sich die Glockenklöppel und fielen hernieder. Hart schlugen sie an die
Schlagglocken. Der Schall drang zitternd in der stillen Nacht über die Stühheide
hin und verkündete: „Die Geisterstunde ist da! Gebt Obacht!“ Die Schatzgräber
hielten in ihrer Arbeit inne und schauten sich zuversichtlich an. Haften sie bis
jetzt die Arbeit furchtlos vollbracht, so sollte ihnen auch der Rest gelingen!
Gerade wollte der Knecht einen
Wuchtebaum herbeiholen, um die schwere Kiste heben zu können. Da bemerkte er,
daß sich etwas über die Heide hin dem Kesselloche näherte. Er eilte zu seinem
Herrn zurück und zeigte aufgeregt, aber ohne ein Wort zu sprechen, in die vom
Mondlicht erhellte Stühheide. Beide erkannten in diesem Augenblick zugleich,
was dort nahte. Auf einer Sau reitend kam ein schwarzes Gespenst mit glühenden
Augen immer näher. Bauer und Knecht verloren allen Mut, den sie bisher bewiesen
hatten. Ein furchtbares Grauen erfüllte die beiden Schatzgräber; denn der
Anblick des Unholden war zu unheimlich!
Da waren plötzlich alle guten
Vorsätze vergessen. Unbedacht rief der Bauer: „Allmächtiger Gott, hilf
uns!“ Die Schatzgräber bekreuzigten sich. Sofort war die Spukgestalt
verschwunden, aber gleichzeitig auch die Schatzkiste. Alles Suchen und Graben
war von nun an vergeblich!
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