Der Halvesser Teich

Läßt man vom Luhberg aus seinen Blick nordwärts schweifen, hinweg über gepflegte Ackerfelder und über den blanken Spiegel des Wendesser Moores, so hebt sich ernst und trutzig der „Breite Strauch“ aus der Landschaft. Aus der Ferne gesehen, geben hohe, schwarze Tannen dieser Waldinsel ein düsteres Aussehen. Wie erstaunt aber der Wanderer, wenn er dieses prächtige Fleckchen Erde betritt!

Ein herrlicher Mischwald! Schlanke Tannen, knorrige Eichen, blanke Buchen und saubere, weißrindige Birken bilden die Waldgemeinde. Die alten, morschen Stuken haben sich grüne Mooshauben aufgesetzt. Lange, stachelige Brombeerranken wuchern am Waldboden. Der Adlerfarn entfaltet in voller Pracht seine königlichen Blätter. In den Baumwipfeln gurren die Wildtauben, warnt der Häher, hämmert der Grünspecht. Der Zaunkönig schmettert sein „König bin ick!“ in die Luft. Bunte, flinke Meisen hüpfen von Ast zu Ast. Da humpelt ein Waldhase über den Weg, und dort in der Lichtung steht ein Rudel schlanker Rehe.

Freude und Leben im deutschen Wald!

Und dennoch,  es stirbt hier jemand. Der Halvesser Teich ist‘s. Nicht in der schönen Feldmark Halvesse, um die ja eine goldene Schnur laufen soll, sondern im nordöstlichen Zipfel des „Breiten Strauche‘s“, da finden wir ihn. Man sieht es ihm an, manch Jahrhundert spiegelte sich in ihm des Himmels Blau.

Die Menschen haben ihm so weh getan. Er liegt da so verwittert, so krank. Seine Augen hat er fast ganz geschlossen. Er kann das grelle Sonnenlicht nicht vertragen. Das saugt ihm das letzte Lebensmark aus den Adern. Es wird ihn mit der Zeit ganz morden.

Einige Krüppelfuhren versuchen schützend die Hand über ihn zu halten, und noch eine einzige liebe Birke leistet ihm Gesellschaft. Weiter zurück stehen hohe, wuchtige Tannenrecken. Sie suchen den glühenden Strahlen der Mittagssonne zu wehren. Vergebens! Ihr Schatten erreicht nicht mehr den Wasserspiegel. Immer weiter schieben sich die grünen Moosbänke vor, immer weiter watet das Rischgesindel.

Nur im Frühling, wenn der Schnee geschmolzen ist, wenn die Nachtigall zurückkommt und die alten Erinnerungen wachruft, lebt der alte Teich auf. Er erzählt vorn Waldkönig und seinem Schimmel, von der lieblichen Fischkönigin, von Zwergen, Elfen und Nixen.

Wer sich still an sein Wasser setzt, der kann die Geschichten mithören.


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